Offener Brief an die Stadtspitze und Verwaltung – Aus für das Projekt?

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Diesen Brief haben wir am 13.11. verfasst, nach dem Bau- und dem Kulturausschuss und auch an die Presse weiter geleitet.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Thomas Jung, sehr geehrte Frau Reichert und sehr geehrte Frau Lippert,

die letzten beiden Tage mit dem Bauausschuss am Mittwoch den 11.11.2020 und dem Kulturausschuss am 12.11.2020 haben uns als Ehrenamtliche und VertreterInnen von über 20 Initiativen und noch mehr Einzelpersonen sehr verstört und verärgert. Wir sind in einem nunmehr zweijährigen Dialog mit der Stadt, der Bauverwaltung und dem Sozial- und Kulturreferat und waren schon auf einem guten Weg. Wir hatten dazu Absprachen, Klärungsgespräche, Kooperationsideen und die Grundlagen einer gemeinsamen Vision für die Entwicklung der Alten Feuerwache im Blick. Zumindest schien das für uns so. Dass Corona manches verlangsamt, hat uns nicht verwundert. Aber auch gerade diese Krise zeigt, wie wichtig bürgerschaftliches Engagement und Ideenreichtum, Improvisation und neue Handlungsmuster sind. Hunderte von Ehrenamtlichen leisten tag täglich unentgeltlich gesellschaftlich wichtige und unersetzbare Leistungen, ohne die der soziale Frieden nicht gewährleistet wäre. Wo Angestellte sich aus rechtlichen Gründen zurückziehen oder Kapazitäten nicht ausreichen, springen BürgerInnen ein und leisten Unglaubliches, weil es um ihre Stadt und ihre MitbürgerInnen geht! Das von uns geplante Zukunfts- und Kreativzentrum soll genau für all die BürgerInnen sein, die sich für die Bereicherung der Stadt und die dort lebenden Menschen einsetzen. Dazu muss erst einmal kein komplettes Gebäude genutzt werden, aber ein Anfang gemacht und ein Zeichen gesetzt werden, mit dem die Stadt gerade dieses Engagement schätzt und würdigt. Entschuldigen Sie bitte folgende Worte: Jedes kleine Dorf hat ein Bürgerzentrum!

Was ärgert und irritiert uns also so, dass wir nun ganz offensiv nochmal das Gespräch, aber auch klare Aussagen suchen?!

Im Bauausschuss wurde gesagt, dass aktuell wegen der unbesetzten Stelle nicht weiter geplant werden kann und externe Fachleute als Berater für Zwischennutzung nicht benötigt werden. Dem widersprechen wir, weil offensichtlich nicht genug Expertise und personelle Kapazitäten zur Verfügung stehen, bzw. die Aussagen dazu immer wieder schwanken. Wir hatten im Gespräch mit dem Baureferat schon die Aussage gehört, dass Zwischennutzung eingeschränkt möglich sei, z.B. im EG und 1. OG, und deshalb sogar gemeinsam den zehn Jahre lang zwischengenutzten Nürnberger Z-Bau besucht.
Dies wurde nun widerrufen, und es entsteht nach wie vor der Eindruck, dass sich die Stadt mit den rechtlichen Möglichkeiten einer Zwischennutzung (Provisorischer Brandschutz, Mobile Heizzentralen, Vertragliche Regelung von Haftungsfragen usw.) überhaupt nicht ernsthaft auseinandersetzen möchte. Warum kann denn nun eine ehrenamtliche freiwillige Feuerwehr Räume zwischennutzen, wenn keine Zwischennutzung möglich ist? Was ist mit den Räumen im 1.Stock, die selbst aus interner Sicht der Feuerwehrleute in einem guten Zustand sind? Oder ist es alternativ verantwortbar, dass nun ehrenamtlich tätige Menschen möglicherweise kontaminierten Räumlichkeiten ausgesetzt werden, wo vorher Angestellte bereits Jahrzehnte lang unter diesen Bedingungen arbeiten durften? Wie steht es um die BesucherInnen von Feuerwehrfesten, die in der Fahrzeughalle abgehalten wurden?

Im Bauausschuss wurde nicht gesagt, eine Zwischennutzung sei nicht möglich – im Kulturausschuss wurde jedoch auf eine solche Aussage des Bauausschusses verwiesen. Leider gibt es dazu nichts Schriftliches.

Die angekündigte Stellenausschreibung für die Projektleitung Feuerwache konnten wir auf dem Stellenportal der Stadt Fürth nicht finden.

Enttäuscht sind wir zudem von der Aussage von Frau Reichert, dass die Stadtgalerie, Künstlerateliers, Kreative und städtische Büros ins Haus kommen und dann noch, *sofern sie dazu passen*, ein paar Initiativen. Das hat uns tief getroffen! In den bisherigen Gesprächen haben wir, so schien es uns zumindest, zusammen versucht, das Projekt als Gemeinschaftswerk zu sehen und nicht die Zivilgesellschaft als kleines Anhängsel. So kommt dies nun herüber. Schließlich war sogar geplant, die Zivilgesellschaft in einem speziellen Beteiligungsprozess besonders einzubinden. Unsere Initiativgemeinschaft hatte nie das Ziel, nur für Einzelne ein bisschen Raum zu bekommen. Wir verfolgen die Idee, urbane, nachhaltige und kreative Perspektiven für die Stadtgesellschaft im Zentrum /gemeinsam/ zu entwickeln, wie es kürzlich auch Herr Prof. Miosga auf Ihrem Klimaschutzsymposium aus wissenschaftlicher Perspektive „empfohlen“ hat („Pioniere des Wandels fördern“). Also ein Gesamtprojekt mit vielen, die zusammen an einem großen Strang ziehen. Dies zerbricht Frau Reichert mit Ihrer Aussage.

Herr Oberbürgermeister, auch wir hatten ein gemeinsames Gespräch, bei dem Sie signalisiert hatten, dass Sie die Idee unterstützen und auch die Zwischennutzung als möglich erachten. Vor allem auch, weil sie für unsere Initiativen wichtig ist. Wir können mit dem Gesamtkonzept nicht fünf Jahre warten. Für den Erfolg unserer Ideen ist gerade der Übergang durch Zwischennutzung, also von Experimenten in den gesellschaftlichen Alltag, wesentlich.

Glauben Sie, dass all die Initiativen und Ehrenamtlichen nach den letzten zwei Jahren noch weitere drei bis fünf Jahre warten können und wollen? Die vielen Engagierten merken doch schon jetzt, dass Räume fehlen. Und die Situation wird sich über den Winter durch die Corona-Einschränkungen noch verschärfen. Um es nochmal zu betonen: Das ehrenamtliche Engagement ist ein wichtiger Baustein unserer Demokratie.

Sollte die Stadt weiter keine Zwischennutzung in einem rechtlich möglichen Rahmen unterstützen, wie sie hundertfach in ganz Deutschland gelebt wird (http://www.zwischennutzung.net/ <http://www.zwischennutzung.net/>, in der Stadt Nürnberg gibt es mittlerweile eine städtische Koordinationsstelle: https://www.nuernberg.de/internet/kreativraeume/ <https://www.nuernberg.de/internet/kreativraeume/>), dann sagen Sie dies allen Beteiligten bitte auch so klar. Dann werden Sie viele engagierte Menschen verlieren, viele nicht mehr gewinnen und das Potential gerade der Zukunftswilligen verstören. Die Glaubwürdigkeit der Stadt, wirklich einen Wandel herbei zu führen, wird eben auch an solchen Projekten fest gemacht. Es geht nicht darum, einzelne Räume für Vereine zu verwalten – es geht darum, dass wir Bürger Orte gemeinschaftlich gestalten – eine Zukunftsaufgabe!

Zusammenfassung:

 * Ermöglichen Sie eine zeitnahe Nutzung, indem alle Initiativen
   einschließlich des Kulturbereichs die Alte Feuerwache zwischennutzen
   können.
 * Suchen Sie mit uns gemeinsam nach einer kurzfristigen Lösung für den
   Personalengpass der Stadt zur Steuerung dieses Prozesses.

Wir hoffen sehr, dass Sie uns verstehen und Ihre Haltung und Sichtweise nochmals überprüfen und mit uns verhindern, dass eine wertvolle Liegenschaft der Fürther BürgerInnen brach liegt und das Potential für Entwicklung damit ebenso.

Dieses Schreiben geht an alle beteiligten Initiativen und an die Presse.
Mit verstörten, irritierten und traurigen Grüßen

Initiative Fürth.Ort